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Hussein Mahmoud kombiniert die Elektrotechnik an der FHWS mit der Musik

30.09.2020 | thws.de, Pressemeldung, FE
Kraft, Engagement, Freunde und Unterstützung für eine erfolgreiche Fortführung des Studiums nach der Flucht

Wenn man bereits neun Semester Kommunikations-Ingenieur studiert hat, richtet sich nach zehn Semestern der Blick normalerweise auf den baldigen, erfolgreichen Abschluss des Elektrotechnik-Studiums. Das wäre sicher auch der Wunsch von Hussein Mahmoud gewesen. 1988 in Debarsiyah (Syrien) geboren, nahm er nach dem Abitur sein Studium an der Tishrin-Universität in Latakia auf. Das Kriegsgeschehen setzte seinem Studienverlauf eine jähe Unterbrechung. Er flüchtete 2015 auf einem Boot, kam in Deutschland an und über verschiedene Stationen in Bayern nach Würzburg.

Die Flucht ist Geschichte, das Leben in Deutschland ist die Gegenwart. Der junge Musiker hat mittlerweile nicht nur sein Bachelor-Studium mit Erfolg abschließen können, er setzt es aktuell fort mit einem Masterstudium an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS), ist Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung. Er spricht hervorragend Deutsch, unterstützt seine Kommilitonen durch sein Fachwissen, engagiert sich mit seinem Saiteninstrument, der Saz, vielfach u.a. ehrenamtlich auf Benefiz-Konzerten und philosophiert musikalisch.

Das klingt nach dem Paradebeispiel eines jungen Menschen, der in Deutschland „erfolgreich angekommen“ ist, der es „geschafft“ hat. Wenn Hussein Mahmoud zurückblickt, kann er diese Aussage schon bestätigen – allerdings sei diese positive Entwicklung kein „Selbstläufer“ gewesen. Sie habe ihm sehr viel eigene Kraft abverlangt, ein gesundes und stabiles Selbstbewusstsein gefordert und das Glück, einen ihn unterstützenden Professor, Mitarbeitende, Helferinnen und Helfer, Freundinnen und Freunde gefunden zu haben.

Übersetzungen und Anerkennungen bisheriger Leistungen

Das Erlernen der deutschen Sprache bildete das Tor zu allen weiteren Schritten: Der junge kurdische Syrer besuchte acht Monate das Sprachenzentrum in Würzburg. Daneben standen die Anerkennungen seiner bisherigen Leistungen im Raum:

  • das Abiturzeugnis, in arabischer Sprache abgefasst, musste übersetzt werden
  • Richtlinien für die Anerkennung seiner Studienleistungen lagen im Sommer 2017 nicht vor
  • die vorgelegten Leistungsnachweise konnten nicht geprüft werden, da die Modulbeschreibungen seines bisherigen Studiums - kriegsbedingt - nicht vorlagen

Um die Studienleistungen eines in Syrien fast abgeschlossenen Studiums offiziell anerkannt zu bekommen, durchlief Hussein Mahmoud an zwei Nachmittagen in elf Fächern Prüfungsgespräche in Physik, Systemtheorie, Grundlagen der Elektrotechnik, Mathematik 1 und 2, Messtechnik 1 und 2, Grundlagen der Elektrotechnik 1 und 2, Digitaltechnik, Regelungstechnik und über Bauelemente. Hussien Mahmoud war der erste Geflüchtete, der in Schweinfurt Elektrotechnik studierte. Für die Anerkennung seiner Studienleistungen in Syrien mussten erst Wege gefunden werden. Heute, so der Eindruck von Hussien Mahmoud, sei das einfacher. Studierende mit Fluchterfahrung würden inzwischen anders wahrgenommen. Er sei da wohl der „Musterfall“ gewesen, bekennt er. Geholfen und unterstützt haben ihn Professoren an der FHWS, unter ihnen vor allem Rolf Poddig. Er ermunterte ihn zum Weitermachen, erstellte Gutachten für sein Stipendium, unterstützte ihn während seines Praktikumssemesters in München beim renommierten Max Planck-Institut für extraterrestrische Physik, das er als erster Studierender der FHWS dort absolvieren konnte.

Studierende mit Fluchthintergrund werden behandelt wie die, deren Muttersprache Deutsch ist, so Hussein Mahmoud: Sie haben alle in der gleichen Sprache gleiche Leistungen zu erbringen. Einen Nachteilsausgleich, wie ihn z.B. Spitzensportlerinnen und Spitzensportler erhalten, wenn zeitgleich zu Prüfungen internationale Wettkämpfe anstehen, erhalten Studierende mit unterschiedlichen Flüchtlings-Biographien nicht.

Professor Dr. Rolf Poddig, Fakultät Elektrotechnik, setzt sich mit etlichen weiteren Professorinnen, Professoren sowie Mitarbeitenden für internationale Studierende ein, so auch für den jungen Syrer. Poddig: „Es geht um `Helfen`, das `sich-in-Deutschland-Zurechtfinden`. Dies begann schon um 1995 mit Christophe B. , nach den Ruanda-Massakern. Seine halbe Familie war ermordet worden, und er organisierte `nebenher` die Flucht seiner beiden jüngeren Brüder. Mir ging es seinerzeit darum, ihn in einen Studenten-Freundeskreis in Schweinfurt einzubinden. Und anschließend in ein normales Berufsleben. Christophe, seine Frau Claudine und ihre Tochter Damaris sind mittlerweile eine glückliche Familie in diesem Land geworden.“ Und Professor Dr. Jürgen Weith ergänzt: „Ich habe stets erlebt, dass Geflüchtete im Kreis ihrer Kommilitonen, im Praktikumsbetrieb, im Vorlesungsbetrieb und in den Firmen voll integriert waren. Die Herkunft und die Vita haben nie eine Rolle gespielt.“

Die Hochschule Würzburg-Schweinfurt legt sehr viel Wert darauf, internationale Studierende auf ihrem Campus willkommen zu heißen. Die vom DAAD geförderten Integra und Welcome Projekte bieten seit 2016 breit gefächerte Angebote für Geflüchtete an, u.a. Sprachkurse in Deutsch und Englisch, Workshops, Beratungen zur Anrechnung von ausländischen Zeugnissen oder zu Finanzierungsmöglichkeiten im Studium. Der Hochschulservice Internationales begrüßt seit über dreißig Jahren Studierende aus über hundert Ländern und aus mehr als 230 Partnerhochschulen weltweit.

Auch wenn der Start für Hussein Mahmoud vor einem halben Jahrzehnt in manchen Bereichen noch nicht optimal verlief, so möchte er in Deutschland bleiben und arbeiten. Inzwischen arbeitet er neben seiner Masterarbeit als Lehrer in einer Integrationsklasse und in der Fachschule für Elektrotechnik an einer Würzburger Berufsschule. Seiner großen Passion, dem Saz-Spielen, kann er im Rahmen seines Musikprojektes „Hussein Mahmoud Group“ und gemeinsam mit dem Pianisten Felix Schneider-Restschikow nach Herzenslust nachgehen – ob bei Umsonst & Draußen, dem Hafensommer oder dem StraMu: „Musik ist für mich Leben, Musik ist Liebe“.