Bei Aktivieren des Elements öffnet sich die Seite des THWS Store in neuem tab oder Fenster

45 Studierende des Studiengangs Bachelor Soziale Arbeit besuchten Rumänien

Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie Land und Menschen gesellschaftlich und sozial geprägt sind

45 Studierende des Studiengangs Soziale Arbeit des dritten und siebten Semesters sowie des Vertiefungsbereiches „Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft“ nutzten eine einwöchige Studienfahrt nach Sibiu / Rumänien, um sich vor allem mit Themen wie Migration, Interkulturalität und Menschenrechten vor Ort auseinanderzusetzen. Begleitet wurden sie vom Dekan der Fakultät an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS), Professor Dr. Ralf Roßkopf sowie von Professor Dr. Frank Como-Zipfel.

Ziel war es u.a., die Perspektive zu wechseln und sich ein Bild von den Menschen zu machen, die in Deutschland weitläufig als „Armutsmigranten“ betitelt werden: Wie gestalten sich die Lebensbedingungen in Rumänien? Welche gesellschaftlichen und sozialen Gegebenheiten formen das Land? Welche Motive veranlassen Rumänen zur Abwanderung? Wie werden SozialarbeiterInnen in Rumänien ausgebildet und welche Handlungsfelder finden sie in ihrem Land vor?

Zum Hintergrund: Am Fuße des Karpaten-Gebirges liegt die Stadt Sibiu. Die kulturelle Landschaft der dortigen Region Siebenbürgen ist gezeichnet von einer Vielfalt ethnischer Minderheiten, Traditionen und Religionen. Multikulturalität und das friedliche Zusammenleben von unterschiedlichen Minderheiten prägen historische und aktuelle Entwicklungen in Rumänien. In der deutschen Bevölkerung ist das Land oft vorurteilsbehaftet: Begriffe wie „Sozialtourismus“, „Armutsmigration“, „Korruption“ und „Probleme mit Sinti und Roma“ dominieren die Schlagzeilen und polarisieren in Debatten. Der Anstieg der Migration nach Deutschland, auch durch Zuwanderer aus Rumänien, und die damit verbundene Zunahme multikultureller Lebensweisen, birgt viele Herausforderungen wie Bereicherungen für das gesellschaftliche Zusammenleben.

Soziale Arbeit agiert im Kontext des Handlungsfeldes Migration im Spannungsfeld zwischen Konflikt und Verständigung, Akzeptanz und Diskriminierung - sowohl auf Seiten der Zuwanderer, als auch auf Seiten der in Deutschland lebenden Bevölkerung. Ziele wie soziale Gerechtigkeit sowie Förderung von Integrationsprozessen und Teilhabechancen für alle Menschen in der Gesellschaft gelten auch im Zusammenhang mit Migration. Hierfür ist, neben Methodenwissen, auch ein Verständnis über die Lebensbedingungen und Kulturen der Zuwanderer eine wichtige Voraussetzung.

Sibiu bot als Schmelztiegel unterschiedlicher Minderheiten im Rahmen der Studienfahrt eine bereichernde Plattform, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. „Sibiu - Hermannstadt ist eine Gegend, in der Rumänen, Deutsche, Ungarn, Roma und andere Völker über Jahrhunderte zusammen gelebt haben, ein multikultureller, interethnischer und interkonfessioneller Raum. Diese Aspekte verleihen der Stadt eine ganz besondere Dimension", so der rumänische Kultusminister Adrian Iorgulescu (2005-2008).

Eingerahmt war die Studienfahrt durch Vorträge und Hinführungen zu den Themen Migration, Flucht und Asyl auf Zwischenstationen in Wien und an der Universität in Budapest auf dem Weg nach bzw. von Rumänien. In Gesprächen und Vorträgen zur Geschichte und politischen Situation Rumäniens erhielten die Studierenden zunächst einen Einblick in die historischen und aktuellen Entwicklungen des Landes. Das durch Korruption beeinträchtigte Rumänien steht vor enormen wirtschaftlichen und (bildungs-) politischen Herausforderungen. Mit einem Nettogehalt von ca. 200 bis 250 Euro im Monat für Berufsanfänger akademischer Berufe wie beispielsweise Ärzte, Lehrer oder Sozialarbeiter und Kaltmieten von ca. 200 Euro für eine Zweizimmerwohnung in der Stadt und hohen Lebenshaltungskosten sei der starke Anstieg von Abwanderung qualifizierter Rumänen in andere EU-Staaten nicht verwunderlich, konstatierte Liane Junesch, Studiengangsleiterin der Pädagogik an der Universität Lucian Blaga (Partnerhochschule der FHWS). Auch im Gespräch mit der Lehrerin Sunhild Galter wurden bildungspolitische Mängel diskutiert.

Neben wirtschaftlichen und politischen Themen beschäftigten sich die Studierenden mit der Volksgruppe der Roma. Trotz der Vielzahl an Minderheiten in Rumänien – insgesamt sind 16 ethnische Minderheiten offiziell anerkannt – unterschieden sich die Roma durch ihre Mentalität klar von anderen ethnischen Gruppen, berichtete der evangelische Pfarrer und Autor Eginald Schlattner. Auch innerhalb der Roma-Minderheit grenzen sich die Reichen bewusst von den Armen ab – dies diene dem „Identitätsschutz“, erklärte der politische Berater des selbsternannten Königs der Roma, Georghe Lefter. Viele Roma seien Menschen des Augenblicks, hätten eine andere Vorstellung von Zeit und leben in einer Art Symbiose mit anderen ethnischen Minderheiten, so Lefter. Unter anderem auf diesen Aspekten gründeten die dortigen Herausforderungen in der Arbeit und im Zusammenleben mit den Roma.

Rumänien ist jedoch nicht nur durch wirtschaftliche und politische Herausforderungen geprägt: Rumänien als zweitgrößtes orthodoxes Land der Welt zeigt auf religiöser Ebene auf, wie Interreligiosität gelebt werden kann. Angehörige der römisch-orthodoxen Kirche, der evangelischen und katholischen Kirche wie auch des Islams leben harmonisch nebeneinander. Durch die Besichtigung von Kirchen und Kathedralen und in Gesprächen mit Vertretern der Glaubensgemeinschaften konnten sich die Studierenden ein Bild von der Unterschiedlichkeit und den Gemeinsamkeiten der Religionen machen.

Mit der Studienfahrt wurde außerdem die bereits seit Jahren bestehende Kooperation mit der Partnerhochschule Lucian Blaga-Universität Sibiu gefestigt: In einem Treffen mit Studierenden des rumänischsprachigen Studiengangs „Sozialassistenz“ erarbei-teten die Studierdenden der FHWS im Rahmen von Workshops gemeinsam verschiedene Themengebiete. Auf der Basis von Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit, wie beispielsweise Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, Soziale Arbeit mit behinderten Menschen, Soziale Arbeit mit alten Menschen, etc. wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede diskutiert sowie der Austausch zwischen den Studierenden gefördert. Gleichzeitig vereinbarten die Dekane der beiden Fakultäten, Professor Dr. Dumitru Batâr und Professor Dr. Roßkopf, eine Intensivierung der Kooperation. Als Zeichen dieser Zusammenarbeit lehrte der Würzburger Professor Dr. Como-Zipfel die rumänischen Studierenden an zwei weiteren Tagen handlungsfeldspezifische Methoden auf der Grundlage der Verhaltensorientierung.