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Veranstaltung an der FHWS: Das Arbeitsfeld der Zukunft integriert Menschen mit Behinderung

04.07.2022 | thws.de, Pressemeldung, FAS
Mit Mut, Kreativität und Anpassungsfähigkeit lässt sich dem Fachkräftemangel auf neuen Wegen begegnen

Fachkräftemangel auf neuem Höchststand – so titelt „Die Zeit". Betroffen sei der gesamte Arbeitsmarkt, „besonders ausgeprägt in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung sowie in den Branchen Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik.“ Anlass für die Organisatorinnen und Organisatoren der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, Arbeitgebende und Studierende zur Veranstaltung „Arbeitsfeld der Zukunft – diverse Belegschaft im Wandel der Arbeitswelt“ einzuladen.

„Die Arbeitswelt“, so das Orga-Team der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften, „ist nicht erst seit Corona im Umbruch und erlebt neue Formen des Zusammenarbeitens. Digitale Möglichkeiten eröffnen Chancen in der Arbeitswelt und erreichen inzwischen auch Branchen, die bisher damit wenig Berührungspunkte hatten. Daneben wird die Belegschaft immer diverser: Mitarbeitende unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Herkunft, Behinderung oder verschiedener Lebensphasen sind integrative Teile der Teams.“

Auf Basis von zwei erfolgreichen Beispielen des Miteinanders wurde den Teilnehmenden in Vorträgen aufgezeigt, wie durch Mut, Kreativität und Anpassungsfähigkeit in Unternehmen und Organisationen neue Wege mit Menschen mit Behinderung als Beschäftigten möglich und fruchtbar sind. Im Anschluss an die Begrüßungen durch Prof. Dr. Dagmar Unz, Dekanin der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften, FHWS, Dieter Körber, Geschäftsführer, und Eva Klässer, Prokuristin der IFD Würzburg GmbH, referierte Claus Jungkunz, Geschäftsführer ConTour GmbH, Unternehmensberatung, Linz, zur „Potenzialgruppe Menschen mit Behinderung – Chancen für das Management“.

Er stellte die österreichischen NEBA (Netzwerke berufliche Assistenz, Betriebsservice für Arbeit und Behinderung vor, die seit über zehn Jahren tätig seien. Relevant sei z.B., die Stellenbeschreibungen so zu verändern, dass sich Menschen mit Behinderungen angesprochen fühlen. Oft seien es Kleinigkeiten wie z.B., über einen Führerschein zu verfügen. Er sehe Inklusion als Innovation: So habe beispielsweise ein Koch, der durch einen Motorradunfall dauerhaft schlecht stehen könne, durch ein vollbewegliches Tragegerüst innerhalb der Küche seine Tätigkeit wieder aufnehmen und weiterführen können. Als weiteres Beispiel erfolgreicher Integration von Menschen mit Behinderung im Arbeitsmarkt führte der Referent IKEA an: Das Programm „Meet & Match“ sehe breitgefasste Suchkriterien und ein Kennenlernen im Betrieb vor, die einen möglichen Einstieg in ein Unternehmen erleichtern. Über ein zweites Angebot „access | tours“ gebe es Workshops und Trainingsangebote von Mitarbeitenden zur jeweiligen Behinderungsform, zum Onboarding und zur allgemeinen Akzeptanzerhöhung der Mitarbeitenden. Mit beiden Angeboten habe man bereits fünf gehörlose Personen, einen Mitarbeitenden aus dem autistischen Spektrum sowie einen Jugendlichen mit Lernbeeinträchtigung als Arbeitskollegen begrüßen können.

Christian Endres, Personal-Geschäftsleitung im Unternehmen Warema Group, nahm die Teilnehmenden mit in den „Kulturwandel in einem mittelständischen Familienunternehmen“. Zu diesem habe sich die Firmenleitung 2018/2019 entschieden. Folgende Ziele seien an den Wertewandel geknüpft worden:

  • anspruchsvolle Unternehmensziele
  • Offenheit / Mut / Agilität
  • eine Umgestaltung der Arbeitsplätze
  • eine einfache und direkte Kommunikation.

Im Familienunternehmen wurde u.a. eine Schwerbehindertenvertretung installiert für Fragen und Lösungen. Sie entwickelten einen Flyer zum Thema Arbeiten mit Behinderung, der an alle Mitarbeitenden ausgegeben wurde. Weiterhin wurde das Thema Arbeiten mit Behinderung hausintern in thematisch passende Besprechungen integriert. Ein neues Ausbildungszentrum wurde bereitgestellt. Aktuell würden sogenannte Exoskelette ausprobiert, um mit diesen äußeren Stützstrukturen möglichst auch Menschen mit Lähmungen in die berufliche Tätigkeit aufnehmen zu können.

Um eine Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, lege man großen Wert auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung. Die Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst (IFD) sei eng, ebenso wie die Kooperation mit den Mainfränkischen Werkstätten. Zudem investiere das Unternehmen in Ergonomie und passe die Arbeitsbedingungen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden an.

Die Veranstaltung der „Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA Würzburg) und dessen Träger, der „integrationsfachdienst“ (IFD), fand in Zusammenarbeit mit der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und dem Campus Community Dialogue der Fakultät angewandte Sozialwissenschaften statt. Die Workshops wurden durch Studierende der Fakultät Sozialwissenschaften begleitet.

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, haben es Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt nach wie vor schwer. Knapp 57 Prozent der Menschen mit Behinderung zwischen 15 und 64 Jahren waren berufstätig oder suchten nach einer Tätigkeit. Zum Vergleich: Die Erwerbsquote nichtbehinderter Menschen in dieser Altersgruppe betrug knapp 82 Prozent. Überdurchschnittlich gute Chancen finden sie im öffentlichen und privaten Dienstleistungssektor, fast jeder dritte erwerbstätige Mensch mit Behinderung (31 Prozent) arbeitet hier. Besonders bedeutsam sei der dazugehörige Bereich Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen – insgesamt 26 Prozent der Menschen mit Behinderung arbeiten dort. Ein Grund für die geringere Teilhabe am Arbeitsleben seien u.a. niedrigere Schulabschlüsse: So hatten im Jahr 2019 gut 12 Prozent das Abitur, während bei nichtbehinderten Menschen mit gut 28 Prozent mehr als doppelt so viele über den höchsten Schulabschluss verfügten. Keinen allgemeinen Schulabschluss hatten 16 Prozent der Menschen mit Behinderung im Alter von 25 bis 44 Jahren, bei Nichtbehinderten lag dieser Anteil bei vier Prozent.

In vier anschließenden Foren, die die Studierenden der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften unter Anleitung der Professoren Dieter Kulke und Ulrich Gartzke realisiert hatten, konnten Kenntnisse, Fragen und Lösungswege vertieft werden. Sie fanden zu folgenden Themen statt:

  1. „Teilhabebedingungen im Umbruch - Durch Digitalisierung, demografische Verschiebungen und den strukturellen Wandel ergeben sich gravierende Veränderungen in der Arbeitswelt, z.B. fallen einfache Tätigkeiten weg. Was nun?“
  2. „Ums Eck denken – kreativer Einsatz der Mitarbeiter - Wir möchten für die nachhaltige Beschäftigung von Menschen mit Behinderung begeistern und den Mut wecken, neues Potenzial zu entdecken und einzusetzen. Nicht in Behinderung denken, sondern in Arbeitskraft.“
  3. „Umsetzung von Inklusion scheitert an fehlenden Informationen und bürokratischem Aufwand – Vorurteil `Alles rund um das Beschäftigungsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen ist so kompliziert`. Wer hilft und beantwortet meine Arbeitgeberfragen? Was ist möglich?“
  4. „`Gebrauchsanweisung` für Mitarbeiter mit Behinderung - Braucht es im Umgang mit Mitarbeitern mit Behinderung eine besondere `Gebrauchsanweisung`?“

In einem Plenum wurden die Ergebnisse der vier Foren abschließend vorgestellt und diskutiert.