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Soziale Arbeit: Plädoyer für Beitritt in Berufsverbände, um Interessen der Profession zu vertreten

05.07.2022 | thws.de, Pressemeldung, FAS
Prof. Dr. Kulke stellte Situation der Sozialen Berufe und der Berufsverbände der Sozialen Arbeit für Deutschland dar

Berufsverbände – auch in der Sozialen Arbeit spielen sie eine wichtige Rolle. Sie sind entscheidend, um die Fachlichkeit der Sozialen Arbeit stetig weiterzuentwickeln und um die Interessen der Profession Soziale Arbeit zu vertreten. Daher ist es für Fachkräfte, Studierende und Lehrkräfte der Sozialen Arbeit wichtig, einem Berufsverband anzugehören. Unter den Berufsverbänden der Sozialen Arbeit ist der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) sicherlich der wichtigste, so Prof. Dr. Dieter Kulke von der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Der DBSH ist in Deutschland das einzige Mitglied in der weltweiten Organisation International Federation of Social Workers.

Um die Situation und aktuelle Entwicklungen der Sozialen Berufe und der Berufsverbände der Sozialen Arbeit für Deutschland darzustellen, wurde Prof. Dr. Dieter Kulke von der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften an die Università di Pisa eingeladen. Prof. Riccardo Guidi vom Dipartimento Scienze politiche forscht international vergleichend zu Berufsverbänden der Sozialen Arbeit und koordiniert die internationale Zusammenarbeit hierzu. Diese ist zentral, um die unterschiedlichen Voraussetzungen verstehen und in einen systematischen Vergleich bringen zu können.

Heterogene Organisation europäischer Berufsverbände

Die Soziale Arbeit und die sozialen Berufe sind in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich organisiert und werden berufsverbandlich verschieden vertreten. Eine große Differenz stellt es z.B. dar, ob Soziale Arbeit eine staatlich registrierte und von Verbänden lizenzierte Profession ist; beides ist in Deutschland nicht der Fall, weswegen es schwer sei, so Kulke weiter, genaue Angaben zur Zahl der berufstätigen Sozialarbeiter:innen zu erhalten.

Dieter Kulke präsentierte mit Oscar Corman von der Hochschule Bremen und Prof. Dr. Benjamin Benz von der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe die Lage der ‚Social Work Professional Organizations in Germany‘. Grundsätzlich sei die Entwicklung der Sozialen Arbeit in Deutschland im internationalen Vergleich „eine packende Erfolgsgeschichte mit einer immer größer werdenden gesellschaftlichen Bedeutung, einem starken Wachstum der Zahl der Beschäftigten und einer inzwischen fest verankerten Professionalität“, erläutert Kulke. So stieg allein die Zahl der Erwerbstätigen und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit einem Studienabschluss in der Kinder- und Jugendarbeit zwischen 2012 und 2020 von 302.000 auf 343.000. Ursachen waren steigende Bedarfe v.a. in den Arbeitsfeldern Seniorenarbeit, Kindertagesbetreuung und Schulsozialarbeit, Behindertenhilfe sowie Flucht und Migration. Und das seien nur Absolvierende einer Hochschule. Nehme man Erzieherinnen und Altenpflegerinnen dazu, gebe es nach dem Mikrozensus 2018 sogar über 2,3 Millionen Erwerbstätige.

Beitrag der Berufsverbände zur Professionalisierung

Neben den Hochschulen leisten die Berufsverbände einen wichtigen Beitrag zur Professionalisierung. So hat der DBSH nicht nur Schlüsselkompetenzen und eine zentrale Berufsethik für die Praxis Sozialer Arbeit erarbeitet, sondern veranstaltet im zweijährigen Rhythmus einen Berufskongress Sozialer Arbeit, der nächste wird im April 2023 stattfinden. In ihrem Vortrag präsentieren Oscar Corman und Dieter Kulke einige Herausforderungen, vor denen die Berufsverbandsarbeit steht. Eine erste Herausforderung ist die Aufteilung der Berufsverbände nach Arbeitsfeldern, die eine gemeinsame Interessenwahrnehmung eher schwierig gestaltet. Die insbesondere in der Sozialen Arbeit starke Diversität der Beschäftigungsverhältnisse auf öffentliche, kirchliche Beschäftigungsverhältnisse und solche bei freien Trägern erschweren aufgrund verschiedener arbeitsrechtlicher und tarifvertraglicher Regelungen in vielen Fällen eine eindeutige Festlegung auf professionelle und fachliche Positionen und eine Vertretung der Sozialen Arbeit nach außen. Und schließlich stehen viele Erwerbstätige in der Sozialen Arbeit wie generell vor der Frage, ob eine Mitgliedschaft in einem Berufsverband oder einer Gewerkschaft erfolgversprechender ist. Der DBSH hat versucht, dies durch die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft DBB Beamtenbund Tarifunion zu verbinden und somit tariffähig zu werden, wodurch Mitglieder auch einen Arbeitsrechtsschutz erhalten.

Die schon in Deutschland nicht einfache Bündelung und Organisation von Erfordernissen und Interessen der Profession Soziale Arbeit wird bei internationaler vergleichender Betrachtung noch schwieriger. Daher sei es eine dringende Aufgabe der Sozialen Arbeit, so Kulke, sich mit der Professionspolitik auseinanderzusetzen und dies angemessen in Lehre und Forschung zu berücksichtigen.